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12.-18.2.17


Nestbeschmutzung?


Es ist nicht falsche Bescheidenheit, die Daniel zu dieser Formulierung bewegt. Dem vorangehenden Bussgebet ist vielmehr zu entnehmen, dass Daniel konkrete Ereignisse vor Augen hat, die ihn dazu veranlassen, so zu reden, wie er es tut.

Die Geschichte seines Volkes berechtigt nicht zum Stolz auf eigene Leistungen, auf eigene Gerechtigkeit. Manche würden sagen: Wie Daniel über sein eigenes Volk redet, das ist Netzbeschmutzung: „Wir haben gesündigt, Unrecht getan, sind gottlos gewesen, abtrünnig geworden. Wir sind von seinen Geboten und Rechten abgewichen. Wir müssen uns alle schämen, die von Juda und Jerusalem und vom ganzen Israel, die, die nahe sind, und die, die zerstreut sind in allen Ländern.“

Solche selbstkritische Sicht ist nicht jedermanns Sache. Wir wissen aus der Geschichte unseres eigenen Volkes, dass diejenigen Anfeindungen ausgesetzt sind, die die Verfehlungen der Vergangenheit beim Namen nennen und zum Bekenntnis der Schuld auffordern.

„Wir vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit“, betet Daniel zu seinem Gott. Daniel sieht nicht nur Negatives in der Geschichte seines Volkes. Er sieht auch die Erfahrungen der Bewahrung, der Rettung: „Du, Herr, unser Gott, der du dein Volk aus Ägypten geführt hast mit starker Hand …“ Die Erfahrungen der Bewahrung und Rettung schreibt er nicht seinem Volk als eigene Leistung zu, sondern sieht in ihnen die helfende Hand Gottes am Werke.

Auch dieser Aspekt der Geschichtsschau mag nicht jedermanns Sache sein, weil zu wenig Anerkennung menschlicher Leistung darin enthalten ist.

Es ist aber eine schlichte Tatsache, dass unsere geringen menschlichen Kräfte zwar zum Tun des Ungerechten ausreichen. Zum Tun des Guten, zum Bewahren und Heilen sind ihre Grenzen aber schnell erreicht. Wie viel einfacher ist es, Leben zu zerstören, als Leben zu schaffen und zu bewahren!

Daniel betrachtet das zweite als ein Werk Gottes, und er tut gut daran. Die ungleiche Verteilung unserer Fähigkeiten mag uns traurig stimmen. Aber wir sind ja deswegen nicht verworfen. Barmherzigkeit wird uns immer wieder zuteil. Darauf vertrauen wir mit Daniel.

(Morgenandacht von Pastor Wolfgang Nein in St. Markus, Hamburg-Hoheluft, am 28.1.1986)

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