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17.-23.12.17


Die Vorarbeit ist unsere Aufgabe

Jesaja 40,3.10


Als ich während meines Studiums mit einem Freund in Hamburg eine Wohnung bezog, hatten wir die Idee, einmal die Woche eine Frau kommen zu lassen, die uns die Wohnung saubermachen sollte. Wir beide, damals noch Junggesellen, hielten das offenbar für nötig und sinnvoll. Wir fanden eine Frau. Als dann der Tag anstand, dass sie zum ersten Mal kommen sollte, sahen wir uns unsere Wohnung an und mussten zugeben: „So geht das nicht! Wenn die Frau hier hereinkommt, kriegt sie einen Herzinfarkt. In diesem Chaos wird sie gar nicht wissen, wo sie mit dem Reinemachen anfangen soll.“ Und so haben wir uns an die Arbeit gemacht, an die Vorarbeit, haben die gröbste Unordnung beseitigt, damit die Frau am nächsten Tag überhaupt eine Chance haben würde, etwas in unserer Wohnung auszurichten.

Es ist sicherlich nicht angemessen, Jesus Christus mit einer Reinemachefrau zu vergleichen. Aber mir ist bei unserem heutigen Spruch diese Situation eingefallen. Jesus Christus ist uns ja auch gesandt, um in uns Ordnung zu schaffen, in uns aufzuräumen, uns zu reinigen, die Dinge unseres Lebens zurechtzurücken. Und wir sind nun aufgefordert, Vorarbeit zu leisten: „Bereitet den Herrn den Weg!“ Es heißt in der alttestamentlichen Stelle bildlich weiter: „Macht die Täler hoch, die Berge niedrig, was krumm ist, macht gerade!“ Damit Jesus Christus überhaupt in uns einziehen kann, ist es nötig, dass wir ihm den Weg bahnen, dass wir den gröbsten Schutt beiseiteräumen, damit die Tür überhaupt geöffnet werden und er bei uns eintreten kann.

Diese Vorarbeit ist nunmehr auszulegen. „Was sollen wir tun?“ Eben diese Frage lässt der Evangelist Lukas die Menschen stellen, denen Johannes der Täufer unseren Spruch zuruft. „Bereitet den Weg des Herrn!“, rief Johannes dem Volk zu. Und die Leute fragten: „Was sollen wir denn tun?“ Johannes antwortete: „Wer zwei Hemden hat, der gebe eines dem, der keines hat. Und wer zu essen hat, der gebe auch ab.“ Zöllner fragten: „Was sollen wir tun?“ Er antwortete: „Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist.“ Soldaten stellten die gleiche Frage: „Was sollen wir tun?“ Und Johannes antwortete: „Beraubt und erpresst niemanden und seid mit eurem Sold zufrieden.“

Die gleiche Frage könnten wir uns nun selbst stellen: „Was sollen wir tun?“ Wenn wir uns die Frage in der gleichen Weise beantworten wollten, wie Johannes es getan hat, dann könnten wir vielleicht antworten: „Wer Pastor ist, der bereite seine Predigten sorgfältig vor und habe Zeit für diejenigen, die seinen Beistand brauchen. Wer Kindergärtnerin ist, der strenge seine Fantasie an, damit die Kinder Freude am abwechslungsreichen Spiel haben. Wer mit älteren Menschen zu tun hat, der habe Geduld und helfe ihnen, mit ihren Schwächen zurechtzukommen.“ So oder ähnlich könnten wir fortfahren. Jedenfalls geht es darum, wenn wir diesem Gedankengang folgen, dass wir dem anderen gegenüber unsere Schuldigkeit tun, dass wir Recht und Barmherzigkeit üben, damit Jesus Christus nicht in eine Räuberhöhle eintreten muss.

Gewiss bleibt für ihn dann noch viel zu tun. Die Zeit der Vorbereitung ist ja kurz. Für eine kurze Zeit können wir uns mal zusammenreißen. Aber wenn es darum geht, dass unser Leben auf Dauer anders werden soll, dann tauchen Fragen auf, auf die wir bei Jesus Christus eine Antwort finden können: „Warum soll ich eigentlich zu anderen gerecht sein, wenn mir selbst doch so selten Gerechtigkeit widerfährt? Warum soll ich eigentlich zu anderen barmherzig sein, wo andere sich doch so oft unbarmherzig verhalten?“

Wenn wir uns erst einmal die kurzzeitige Mühe gemacht haben, Jesus Christus an uns heran und in uns hereinkommen zu lassen, werden wir merken, dass er da noch eine ganze Menge an uns ausrichten kann, dass, wenn wir ihn erst durch unsere Oberfläche haben hindurchstoßen lassen, er an uns noch einige Arbeit am Grundsätzlichen leisten kann. Dann kann in der Tat noch Gewaltiges an uns geschehen.

(Morgenandacht in St. Markus, Hamburg-Hoheluft, 16. Dezember 1980)

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