Predigt, Predigten, Predigtsammlung, Bibelauslegung, Andachten, Morgenandachten, Wochenspruch, Wochensprüche, Hoheluft, Hamburg-Hoheluft, Wolfgang Nein, St. Markus

18.-24.3.18


Macht im Dienst am Mitmenschen

Matthäus 20,28


Mit dieser Aussage stellt sich Jesus seinen Jüngern als Vorbild hin: Sie sollen so sein wie er - und nicht so wie die Mächtigen der Welt. Sie sollen ihre Mitmenschen nicht unterdrücken, sondern ihnen dienen.

Anlass dieser Mahnung ist das Verhalten der beiden Jünger Jakobus und Johannes, die im Reich Gottes zur Rechten und Linken Jesu sitzen möchten. Dieses Streben nach den besten Plätzen, den höchsten Positionen, der größten Macht ist menschlich nachvollziehbar. Es ist ein geradezu kreatürliches Bedürfnis. Dass sich die beiden Jünger so offen dazu bekennen, macht sie einem direkt sympathisch. Es ist in gewisser Weise erleichternd zu sehen, dass die Jünger Jesu über menschliche Bedürfnisse nicht erhaben, sondern ihnen unterworfen sind. Darin können wir uns ihnen verbunden fühlen.

Abgesehen davon, dass das Machtstreben ein natürliches Bedürfnis ist, kann es auch ein notwendiges Streben sein. Ohne Macht geht es in einer Gesellschaft nicht. Macht ist legitim, und wir erziehen unsere Kinder dazu, vorwärts zu streben, sich Positionen zu erobern, um von da aus in der Gesellschaft einflussreich mitgestalten zu können.

Wir werden Jesu Worte deshalb nicht als generelle Ablehnung jeglichen Machtstrebens auslegen dürfen. Das würde in der Praxis ohnehin unausweichlich zur Heuchelei führen. Wir müssen die Situation vor Augen haben, gegen die sich Jesus mit seiner Mahnung ganz konkret wendet: „Die Fürsten halten ihre Völker nieder, und die Mächtigen tun ihnen Gewalt an.“

Jesus wendet sich, wie wir diesen Worten entnehmen können, gegen den Machtmissbrauch, gegen die Überschreitung der Grenzen, die einer legitimen Machtausübung gesetzt sind. Er wendet sich gegen Unterdrückung und Gewaltanwendung - Gefahren, die jeglicher Machtausübung innewohnen. Wer über andere regiert, soll dies zum Wohle der Regierten tun, nicht zur Befriedigung egoistischer Interessen.

Es geht also nicht um den Aufruf zur Machtlosigkeit, sondern um verantwortliche Machtausübung im Sinne eines Dienstes am Mitmenschen. In solchem Dienst sollen wir unsere Größe suchen, wenn wir schon danach streben. Wir brauchen nicht - und können kaum - so weit gehen wie Jesus, dass wir im Dienst unser Leben aufs Spiel setzen. Aber die Richtung des uns aufgegebenen Verhaltens ist uns durch das Beispiel Jesu aufgezeigt.

(Morgenandacht in St. Markus, Hamburg-Hoheluft, am 22.3.1988)

wnein@hotmail.de    © Wolfgang Nein 2013