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24.-30.12.17 2


So fern und doch so nah!

Philipper 4,4-5


Es ist natürlich ein Unding, auf Kommando lachen zu sollen. Freude ist etwas Spontanes. Sie wirkt gewollt und krampfhaft, wenn sie nicht aus der Situation selbst heraus spontan entzündet wird.

Es geht bei unserem Spruch aber wohl gar nicht um Freude als spontane Gefühlsregung. Freude scheint mir hier vielmehr gemeint zu sein als grundsätzliche Lebenseinstellung. So, wie wenn einer sagt: „Ich habe nichts zu lachen“ und damit meint: „Mir geht es schlecht, meine Lebensumstände sind negativ, da gibt es keinen Grund zur Freude.“

Wenn Paulus dazu aufruft: „Freut euch im Herrn allezeit!“, heißt das nicht: „Nun macht mal ein fröhliches Gesicht, lacht mal!“ Vielmehr will er sagen: „Lasst euch innerlich nicht unterkriegen von den widrigen Umständen, in denen ihr leben müsst. Lasst euren Blick nicht verdunkeln, lasst euch eure Perspektive nicht einengen auf die Negativaspekte des Lebens, schaut auf das, was Freude bereitet, und lasst euch dadurch leiten.“

In der Tat hängt vieles davon ab, wie wir die Welt betrachten. Der Miesepetrige wird immer Grund zur Trübsal finden. Dazu liefern ihm unsere täglichen Erfahrungen Material genug. Aber unser Alltag, ja, auch unser Alltag bietet Grund genug zur Lebensfreude.

Paulus zeigt hier ein Motiv auf, das solche Lebensfreude begründen kann: „Der Herr ist nahe“, sagt er. Also der Blick nach vorn, die Hoffnung auf das Kommende.

In der Tat kann der hoffnungsvolle Blick nach vorn eine große Hilfe dafür sein, widrige Umstände der Gegenwart guten Mutes zu durchstehen. Wenn wir uns auf etwas freuen, sind wir so leicht nicht unterzukriegen. Das kann auch tragik-komische Formen annehmen.

Das Schielen auf den Feierabend, auf das Wochenende und auf den Urlaub wie auf einen rettenden Anker ist nicht das, worum es Paulus geht. Denn hier kommt es nicht wirklich zu einer neuen Einstellung zur Gegenwart. Man hält einfach nur mühsam durch.

Auch das Beispiel von einer Frau, die noch heute das Bett ihres Mannes regelmäßig frisch bezieht, weil sie ihren im Krieg verschollenen Mann immer noch erwartet, gibt nicht wieder, was Paulus meint. Und auch nicht die Hoffnung darauf, dass das Eigentliche unseres Lebens nach unserem leiblichen Tod kommen wird, wie manche es erwarten, ist es, was Paulus uns zu sagen hat.

„Der Herr ist nahe“ - das sollen wir im Lichte des Weihnachtsereignisses wohl eher so verstehen: Es kommt einer zu uns, der uns die Augen öffnet für eine neue Sicht unseres Leben, einer, der neue Maßstäbe setzt - „Ein neues Gebot gebe ich euch“ - der uns neue Ziele aufzeigt, der uns neu und anders sagt, warum und wozu wir leben, und der damit entscheidend Einfluss nehmen kann auf unser Verhältnis zur Gegenwart unseres Lebens.

Nach neuen Zielen und Maßstäben suchen wir - als Einzelne und als ganze Gesellschaft - immer wieder neu und gerade jetzt, nachdem unser Glaube an das wirtschaftliche Wachstum und an die Allmacht der Technik erschüttert ist und apokalyptische Visionen von einer allmählichen oder auch plötzlichen Zerstörung unserer Welt sich in den Vordergrund drängen.

In unserem privaten und gesellschaftlichen Bereich ist es zu einer dringenden und wahrhaftig nicht leichten Aufgabe geworden, sich zur Lebensfreude neu ermuntern zu lassen. Da kann Jesus Christus Entscheidendes für uns tun. Er ist in die Dunkelheit unseres Lebens gekommen und hat es erhellt. Er ist - und damit wiederhole ich die von mir bevorzugte Kurzformel für das, was Jesus Christus mir bedeutet: Er ist das Ja zum Menschen und das Ja zum Leben im vollen Bewusstsein dessen, was an negativen Erfahrungen vorliegt.

Ein solches illusionsfreies Ja zu uns selbst und zu unserem ganzen Dasein ist die Voraussetzung dafür, dass wir uns des Lebens freuen können. Es gibt dem Aufruf des Paulus seinen guten Sinn: „Freut euch im Herrn allezeit, und abermals sage ich euch: Freut euch! Der Herr ist nahe.“ 

(Morgenandacht in St. Markus, Hamburg-Hoheluft, 23. Dezember 1980)

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