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26.11.-02.12.17


Nicht mehr und noch nicht

Lukas 12,35


Hinter uns liegt der Totensonntag und Ewigkeitssonntag, vor uns liegt der 1. Advent. Wir rechnen das Kirchenjahr in Sonntagen. Diese Zeit zwischen dem letzten Sonntag des alten Kirchenjahres und dem 1. Sonntag des neuen ist so eine Art „zeitliches Niemandsland“. Wo hört eigentlich das alte Kirchenjahr auf, wo fängt das neue an? Beides steckt in diesen Tagen drin und geht ineinander über: das Alte und das Neue - das Nicht-mehr und das Noch-nicht. 

Vielleicht ist dies die typische Situation des Christseins. Die beiden Bücher der Bibel nennen wir Altes und Neues Testament. „Das Alte ist vergangen, siehe ich mache alles neu“ - das Alte ist aber nicht erledigt, sonst hätten die Bücher Mose, die Psalmen, die Propheten einfach weggepackt werden können. Die Texte des Alten Testaments sind weiter lebendig - bis in diese Andacht hinein. Und das Neue Testament - es überliefert uns etwas, was geschehen ist; es ist aber auch ein Buch der Verheißung: Die Juden warten auf die Ankunft des Messias, wir warten auf seine Wiederkehr. 

Da stehen wir nun zwischen Ende und Anfang, zwischen Anfang und Ende. Das ist auch die typische Situation unseres Menschseins. Wir werden geboren und wir werden sterben - Anfang und Ende unseres Lebens. Aber wir haben den Tod auch immer schon hinter uns. In jeder Nacht sterben wir den kleinen Tod, wie die Chinesen sagen. Und am Morgen erwachen wir zu neuem Leben. Die Nacht von Bethlehem und die Nacht von Jerusalem - sie sind Inbegriff dieses Wandels geworden. 

Wir blicken zurück und wir blicken voraus - Vergangenheit und Zukunft vereinen sich in der Gegenwart. Unsere Geschichte ist niemals beendet. Wir können sie nicht beiseitelegen. Sie ist in uns eingeschrieben. Und auch unsere Zukunft ist schon als Kraft, als Hoffnung und als Vision in uns. 

Wir haben das Leben empfangen und wir werden das Leben empfangen. Wir sind dazu berufen, dies mit Aufmerksamkeit, mit Dankbarkeit und mit Zuversicht wahrzunehmen und anzunehmen.

(Morgenandacht in St. Markus, Hamburg-Hoheluft, 21. November 2000)

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