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27.5.-2.6.18


Gott ist unfassbar groß

Jesaja 6,3


Der Prophet Jesaja hat eine Vision. Er sieht Gott auf einem Thron sitzen. Gott ist so groß, dass allein der Saum seines riesigen Thronmantels den Tempel füllt. Oben herum fliegen die Seraphim, sechsflügelige engelartige Wesen, und rufen einander diesen Satz zu: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll.“

Über diese Symbolik ließe sich gut meditieren: Draußen ist die Welt erfüllt von der Ehre Gottes, und wer in den Tempel geht, der hat gerade nur einen Zipfel vom Kleid Gottes zu fassen. Gott ist weit größer, als dass ein Tempel ihn fassen könnte. Gott ist weit größer, als dass wir ihn in ein menschliches Gebäude hineinstecken könnten. Er ist größer, als dass wir ihn in einem Gotteshaus in seiner ganzen Gestalt erfassen könnten. Wir müssten schon hinaustreten, um mehr von ihm betrachten zu können. Wie gesagt, über diese Größenverhältnisse, drinnen und draußen, ließe sich weiter meditieren.

Aber etwas anderes soll nun im Vordergrund stehen: „Alle Lande sind voll der Ehre Gottes“, ruft einer der Seraphim, die die göttliche Gestalt umfliegen, dem anderen zu. Dieser Seraph scheint vom göttlichen Glanz geblendet zu sein, denn sonst hätte er doch sehen müssen, dass keineswegs alle Lande voll der Ehre Gottes sind. Nicht nur heute nicht. Sondern auch zur Zeit Jesajas prägte eher Gottlosigkeit die Szene, weshalb ja der Zorn Gottes über sein Volk entbrannt war. Es scheint mit den Seraphim fast so zu sein wie mit denen, die einer großen Persönlichkeit allzu nahestehen: Sie verlieren den Blick dafür, was draußen im Lande eigentlich vor sich geht. 

Ist das bei den Seraphim so? Das Bild ließe sich auch anders auslegen. „Alle Lande sind seiner Ehre voll“ - das könnte auch heißen: Die ganze Schöpfung - und darin hat der Mensch nur eine begrenzte Rolle - die ganze Schöpfung gibt Gott die Ehre. Es gibt Menschen, die sagen: „Wenn ich in die Natur hinaustrete, dann erkenne ich Gott. Wenn ich den riesigen Sternenhimmel betrachte, aber auch wenn ich mir eine kleine Blume anschaue, spüre ich, dass es einen großartigen Schöpfer gibt, der alles in der Hand hat und führt.“ 

Manche blicken auf diese Art der Gotteserfahrung etwas abfällig herab. Aber wir können wohl froh sein, dass es noch Natur gibt, die uns die Erfahrung der Größe Gottes vermittelt. 

„Alle Lande sind seiner Ehre voll“ kann also heißen: Hinter allem Geschöpflichen steht Gott, alles, was geschaffen ist, bezeugt Gottes Größe. Durch Jesus Christus ist uns in besonderer Weise der Schöpfergott offenbar geworden: Wir haben durch ihn zu begreifen begonnen, dass die ganze Schöpfung vom Liebeswillen Gottes durchdrungen ist.

(Predigt von Pastor Wolfgang Nein in St. Markus, Hamburg-Hoheluft am 27. Mai 1997)

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