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Es hängt und liegt nicht alles an uns

1. Petrus 5,5


Demut ist nicht gerade ein moderner Begriff. Der Begriff Hochmut dagegen ist eigentlich nicht aus der Mode gekommen. Für Demut würden wir heute vielleicht besser Bescheidenheit sagen.

Demut kann gewiss nicht heißen: Nicht hoch hinaus wollen, nicht viel erreichen wollen, nicht viel leisten wollen. Es muss heute auf vielen Gebieten viel geleistet werden. Das ist eine Überlebensfrage. Diejenigen, die sich die Mühe machen, alle ihre Gaben und alle ihre Kräfte zum Wohl der Gemeinschaft und zum Wohl einzelner Menschen zum Einsatz zu bringen, können wir nur unterstützen. Es spricht auch nicht gegen die Demut, dass Menschen, die viel leisten, auch viel Geld verdienen - womit ich nicht sagen will, dass die Höhe des Verdienstes immer der Höhe der Leistung und der Größe des Einsatzes entspricht. 

Das Thema Demut kommt eigentlich erst bei der Frage zum Tragen, wie wir mit unseren Leistungen, mit unseren Gaben, unseren Fähigkeiten, unseren Erfolgen umgehen, wie wir zu ihnen stehen, wie wir sie bewerten: ob wir uns dessen bewusst bleiben, dass das, was wir geleistet haben, theologisch gesprochen, eine Gabe Gottes ist und unsere Fähigkeiten somit ein Grund zur Dankbarkeit sind. Nicht dass andere uns danken müssten, sondern dass wir danken: „Danke Gott, dass du mich diese Leistung hast vollbringen lassen. Danke, Gott, dass du meinen Bemühungen Erfolg beschieden hast.“ Demut heißt also: Sich dessen bewusst bleiben, dass wir - bei allem eigenen Engagement, bei aller eigenen Anstrengung - nicht aus eigener Kraft das sind, was wir sind, und das haben, was wir haben, und das können, was wir können. Wir dürfen zwar stolz sein auf uns selbst. Aber es ist auch wichtig, demjenigen die Ehre zu geben, der die Grundlage unseres Könnens in uns gelegt hat. 

Das Umgekehrte gilt übrigens auch: Es wäre von uns auch vermessen und hochmütig, unsere Misserfolge nur uns selbst anzulasten. Wir dürfen unsere Schwächen und Fehler und Verfehlungen, unser Unvermögen, unsere Misserfolge nicht nur uns persönlich zurechnen, als unser persönliches Versagen. Wir dürfen unser Unvermögen zu einem Teil durchaus demjenigen zuschieben, der uns so unvollkommen geschaffen hat, der uns mit mangelnder Begabung, mit begrenzten Fähigkeiten geschaffen hat. Wir dürfen und sind aufgefordert, auch das zu tun, was im 1. Petrusbrief im Anschluss an den Satz steht, von dem unsere Überlegungen ihren Anfang genommen haben, wo es heißt: „,Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch.“ Natürlich dürfen wir ein solches Abwerfen und Abschieben nicht leichtfertig und aus Bequemlichkeit und Faulheit tun. Aber es ist legitim zu sagen: „Gott, hilf mir, meinen Misserfolg zu tragen. Ich habe mich bemüht, ich habe es gut gemeint, ich habe mein Bestes gegeben, aber es hat mir nicht gelingen wollen. Tröste mich, hilf mir, mich anzunehmen mit meinen Begrenzungen, mit meinem Unvermögen, mit meinem Versagen.“ 

Es hängt nicht alles an uns, und es liegt nicht alles an uns. Das Gelingen liegt letztlich in der Hand Gottes. Das einzusehen gehört zur Demut. Und zur Demut gehört es auch, mit dieser Einsicht verantwortungsvoll umzugehen. 

(Morgenandacht in St. Markus, Hamburg-Hoheluft, 26. September 1995)

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