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7.-13.1.18


Kind oder Knecht?

Römer 8,14


„Für das Verständnis dieses Wochenspruchs ist es hilfreich, noch den folgenden Satz mit hinzuzunehmen: „Denn nicht den Geist von Knechten habt ihr empfangen, dass ihr euch fürchten müsstet, sondern den Geist von Kindern, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater.“ So haben wir hier zwei Begriffe, die im Sinne eines Gegensatzpaares, zwei sehr unterschiedliche Arten von Beziehungen beschreiben: Kind und Knecht, und entsprechend auf der Gegenseite: Vater und Herr.

Also zwei Beziehungen: Das Kind und sein Vater - die Mutter lassen wir im Augenblick mal aus dem Spiel - und der Knecht und sein Herr. Mit diesen Gegensatzpaaren ist jeweils ein bestimmtes Verhältnis zwischen Mensch und Gott gemeint: Gott, mein Vater, ich sein Kind, oder: Gott, mein Herr, und ich sein Knecht. 

Ich möchte die Sache noch etwas komplizieren und ein drittes Element einführen - die Welt: Gott gehört die Welt. Und ich lebe in Gottes Welt. Lebe ich nun in dieser Welt als der Knecht meines Herrn, als in eines fremden Herrn Eigentum? Oder lebe ich in dieser Welt als Kind dessen, dem dies alles gehört? Ist diese Welt also mein eigenes Zuhause?

Diese schlichten Fragestellungen machen vielleicht schon deutlich, dass es bei den Begriffen unseres Wochenspruches um ein je unterschiedliches Verhältnis zu unserem Dasein geht und um ein je unterschiedliches Lebensgefühl.

Wir können diese Welt betrachten als das Eigentum eines Fremden, zu dem wir ein distanziertes Verhältnis haben, ein Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis, dem wir zu dienen haben, dessen Spielregeln, dessen Vorschriften wir zu beachten haben - sonst wird uns gekündigt, sonst werden wir gefeuert - wie Adam und Eva aus dem Paradies. 

Wir können diese Welt aber auch betrachten als unser Familieneigentum, das uns als unser Eigen übertragen wird in dem Maße, wie wir als Kinder heranwachsen, bis wir schließlich alt genug sind, die Eigenverantwortung zu übernehmen. 

Möchten Sie als Knecht durch diese Welt gehen? Als abhängiger Knecht eines willkürlichen Herrn, vor dem man sich in der Tat eher fürchten müsste? Zur Zeit, als Paulus seine Gedanken aufschrieb, gab es nicht einmal Gewerkschaften, die den Arbeitnehmern einen gewissen Schutz hätten bieten können.

Oder möchten Sie diese Welt nicht lieber als Ihr Zuhause betrachten dürfen? Die Welt als unser Erbe, das einst Gott seinen Menschen anvertraut hat, und das von Generation zu Generation weitergegeben wird?! Wir haben diese Welt als Erbe empfangen, und wir geben diese Welt als Erbschaft weiter an die nächste Generation. 

Für mich ist die Antwort klar: Ich möchte lieber Kind als Knecht sein. Als Kind lebt es sich sich freier und fröhlicher. Und auch die Eigenverantwortung gefällt mir besser. Paulus ermuntert uns zu diesem Verständnis: Wir sind Gottes Kinder. Das ist doch eine schöne Botschaft! 

(Morgenandacht in St. Markus, Hamburg-Hoheluft, am 14.1.1997)

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