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Trinitatis (27.5.18)


Die drei Weisen des Einen

27. Mai 2018

Trinitatis

30 Jahre Gemeindepartnerschaft mit Uyole, Tansania

Epheser 1,3-14


Heute ist also der Sonntag Trinitatis, der Sonntag der Dreieinigkeit. Mit der Trinität haben manche ein Verständnisproblem. Wie kann Gott einer und zugleich drei sein? Der eine Gott – zugleich Vater, Sohn und Heiliger Geist? "Das sind ja drei Götter", argwöhnen z. B. Muslime, aber eben nicht nur sie. 

Dabei sind wir alle mehr oder weniger dreieinig. Wir können zum einen Vater oder Mutter sein, sind zum Zweiten aber zugleich immer auch Kind unserer eigenen Eltern. Und wenn wir nicht mehr leibhaftig da sind, bleiben wir zum Dritten weiterhin geistig gegenwärtig in den Erinnerungen und in dem, was wir geschaffen haben zum Beispiel. Wir sind stets die eine Person, aber in unterschiedlichen Rollen und aus unterschiedlicher Perspektive betrachtet. Insofern sind wir alle dreieinig - mindestens dreieinig.

Wir brauchen also keine große Gehirnakropatik und Glaubensakrobatik zu betreiben, um mit der Dreieinigkeit etwas anfangen zu können. 

Dafür lassen sich noch andere Beispiele finden. Das Wasser zum Beispiel, H2O, chemisch gesprochen, ist auch dreieinig. Es kann flüssig sein, dann nennen wir es Wasser, oder fest, dann nennen wir es Eis, oder gasförmig, dann nennen wir es Wasserdampf. Es ist jedesmal anders, aber es ist und bleibt H2O. H2O ist, wie ich selbst gerade gelernt habe, die einzige chemische Verbindung, die in der Natur in diesen drei Zuständen vorkommt. 

Oder nehmen wir als weiteres Beispiel die Zeit: Sie besteht aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Auch die Zeit ist dreieinig, sie lässt sich auf diese dreierlei Weise betrachten. 

Und so ist es auch mit Gott, dem allmächtigen Schöpfer und Vater aller Menschen zum einen. Er ist zum Zweiten in allem Geschöpflichen enthalten. In dem einen Menschen insbesondere, in Jesus Christus, den wir seinen Sohn nennen. In ihm ist Gott uns als menschliches Geschöpf leibhaftig zu einer besonderen Offenbarung geworden. Und zum Dritten ist Gott geistig gegenwärtig, insbesondere in dem, was als Botschaft seiner leibhaftigen Erscheinung in Christus unter uns weiterhin lebendig ist – als geistiges und geistliches Konzept, als Kraft und als Trost und als Hoffnung.

Der heutige Predigttext bringt diese dreifache Seite Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes zum Ausdruck.

Lässt sich nun auch die dreißigjährige Gemeindepartnerschaft St. Markus - Uyole unter dem Gesichtspunkt der Dreieinigkeit betrachten?

Wir können es mal ganz einfach versuchen. 

Wenn wir zunächst einmal die Dreieinigkeit Gottes zeitlich beschreiben: Die ca. dreißig Jahre der Erscheinung Jesu Christi, des Sohnes also, in der Mitte der Zeit, davor die endlose Zeit Gottes, des Schöpfers und Vaters aller Menschen, und nach den dreißig Jahren des Sohnes die zweitausend Jahre des Heiligen Geistes, in denen der Geist Gottes in der Gestalt der Offenbarung und Botschaft seines Sohnes kraftvoll lebendig geblieben ist. 

Auf die Partnerschaft St. Markus - Uyole bezogen könnten wir unsere Überlegungen nun entsprechend sortieren: In die Mitte könnten wir als Ausgangspunkt unserer Überlegungen die dreißig Jahre der Partnerschaftsbeziehung stellen. Dann könnten wir als Zweites fragen: Wie und warum – im Grundsätzlichen – ist es zu dieser Partnerschaft gekommen? Und als Drittes könnten wir uns fragen: Was wird von der Partnerschaft bleiben? Wird sie – und ggf. wie wird sie – weiterwirken?

Zunächst also zu den realen dreißig Jahren der Partnerschaft. St. Markus war zu der Beziehung zu Uyole – im Konkreten – ähnlich so gekommen, wie die Jungfrau zum Kinde, ganz ungeplant und überraschend, im Juni 1988, als eine Gruppe von Tansaniern nach Hamburg kam – auf Einladung von Pastor Hoffmann in Bergedorf. Er hatte Vertreter tansanischer Gemeinden eingeladen, die bereits eine Partnerschaft zu Hamburger Gemeinden hatten. Unter den tansanischen Gästen befand sich die damals 18jährige Faradja Nyato. Faradja ist inzwischen, vor einigen Jahren, verstorben.

Faradja kam aus einer Gemeinde, die noch keine Partnerschaft zu einer Hamburger Gemeinde hatte. Sie kam aus der Gemeinde Uyole. So stellte sich damals die Frage, ob sie nicht mit einer Hamburger Gemeinde eine Partnerschaft begründen könnte. Diese Frage überbrachte ich aus dem Hamburger Missionsbeirat, dem ich damals angehörte, in unseren Kirchenvorstand ein. Der Kirchenvorstand stimmte zu. Und so feierten wir hier in unserer Kirche mit Faradja einen Gottesdienst zur Eröffnung der Partnerschaft am 12. Juni 1988. Die Predigt hielt Bischof Mwakagali, der die Gruppe der tansanischen Gäste leitete. 

Faradja hielt auch eine kleine Ansprache und erzählte dabei ein wenig über ihre Gemeinde Uyole. Sie sagte u.a.: "Unsere Gemeinde ist noch sehr jung. Sie wurde erst vor eineinhalb Jahren gegründet. Wir haben gemeinsam eine Kirche und ein Pastorat gebaut. Um das Wort Gottes zu verbreiten, gehen Evangelisten von Haus zu Haus. Auf diese Weise wächst die Gemeinde mit ihren Filialen." Nach ihrer Ansprache übergab Faradja uns Gastgeschenke, die sie vorsorglich aus Tansania mitgebracht hatte. So fing es an.

Zur Pflege der Partnerschaft vereinbarten wir einen jährlichen Partnerschaftsgottesdienst im Juni mit möglichst den gleichen Liedern und Bibeltexten. Wir beschlossen, uns gegenseitig zu besuchen und am Leben der Partnergemeinde mit Gebet und Tat nach den jeweiligen Möglichkeiten Anteil zu nehmen. 

Vertreter aus Hoheluft besuchten mehrfach Uyole – einige werden Ihnen bekannt sein: Birgit Ladwig, Viola und Mitja Kienast, Almut Wolter und Marion Roß und Constantin Roß, Ursel Beckenkamp und Frank Lokay, Karen Wernecke und Ute Klein, Philipp Eisenreich und Sebastian Vry. Sie überbrachten dort jeweils auch Gastgeschenke aus St. Markus. Sie wurden stets überaus herzlich und mit großen Feierlichkeiten aufgenommen. 

Umgekehrt erhielten wir mehrfach Besuch aus Uyole (1998, 1999, 2002, 2006, 2007, 2008). Die schwierigen Namen der Besucher kann ich Ihnen gar nicht nennen. Sie brachten natürlich auch stets reichlich Gastgeschenke mit. 

Die tansanischen Gäste brachten wir unter anderem in Familien unserer Gemeinde unter. Wir organisierten jeweils ein umfangreiches Besuchsprogramm. Zahlreiche Gemeindeglieder engagierten sich, um den tansanischen Gästen eine schöne und interessante Zeit bei uns zu bereiten. Das möchte ich bei dieser Gelegenheit noch einmal mit großer Dankbarkeit unterstreichen.

Birgit Ladwig, die damals unserem Kirchenvorstand angehörte, überbrachte Abendmahlsgerät nach Uyole. Sie war im September 1991, also im dritten Jahr unserer Partnerschaft, mit einer Delegation des Kirchenkreises zur Feier des hundertjährigen Jubiläums der Mission in Südtansania nach Tansania gereist. 

Anfang 1993 schickten wir auf Bitten der Gemeinde Uyole eine 50 kg schwere Glocke dorthin. Denn bis dahin hatte die Gemeinde mit einer Autofelge zum Gottesdienst eingeladen. Wir versahen die Glocke mit der Inschrift aus dem Epheserbrief: "Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe". 

Wir überbrachten auch Geld bzw. überwiesen Geld nach Uyole für diverse Projekte der Gemeinde: für einen Kindergarten zum Beispiel. Viola Kienast aus St. Markus fuhr mit ihrem Sohn Mitja zum zehnjährigen Bestehen der Partnerschaft im Juli 1998 nach Uyole und weihte dort den Kindergarten ein, der zu Ehren unserer Gemeinde "St. Markus Kindergarten" genannt wurde. 

Wir überwiesen auch Geld für einen Kirchenneubau, für eine Veranstaltungshalle, für eine Reisschälmaschine, auch für eine Kuh. Durch den Verkauf der Milch sollten Einnahmen für die Frauenarbeit der Gemeinde erzielt werden. 

Wir empfingen infolge der Partnerschaftbeziehung auch andere tansanische Gäste, also nicht nur Menschen aus Uyole, und beteiligten uns auch an den übergemeindlichen Beziehungen zwischen Hamburg und Tansania. 

Vertreter der diversen Hamburger Gemeinden mit Partnerschaftsbeziehungen in verschiedenen Teilen der Welt, neben Tansania z. B. auch in Kenia, im Kongo und Papua Neuguinea, trafen sich des Öfteren in St. Markus. 

Wir hatten in St. Markus auch Veranstaltungen des überregionalen Tansania-Netzwerkes und Veranstaltungen im Zusammenhang der Kooperation zwischen der Stadt Hamburg und Daressalam. Wir hatten den tansanischen Honorarkonsul Jürgen Gotthardt des Öfteren zu Gast, auch den Bürgermeister von Daressalam und auch Rose Nyerere, die Tochter des ehemaligen tansanischen Präsidenten Nyerere. 2010 hat die Stadt Hamburg aus ihrer Kooperation mit Daressalam eine offizielle Städtepartnerschaft gemacht.

Wir haben in den dreißig Jahren viel über die tansanischen Partner und ihre Gemeinde Uyole gelernt. Und wir haben viele schöne, herzliche menschliche Beziehungen anknüpfen können. 

Der Gemeinde Uyole ist diese Partnerschaftsbeziehung bis auf den heutigen Tag sehr wichtig. Das fand Sebastian Vry, Student aus unserer Gemeinde, kürzlich bestätigt. Er hat im vergangenen Jahr 2017 in der Nähe von Uyole an einer Schule unterrichtet und die Gemeinde Uyole besucht. Er wurde – wie schon alle Hamburger Gäste zuvor – in einem festlichen Gottesdienst empfangen, konnte Fotos von dem – noch im Bau befindlichen Neubau – der Kirche machen und brachte Gastgeschenke und Grüße der Gemeinde Uyole mit nach Hamburg. 

Es ist der zweite Neubau der Kirche von Uyole in den dreißig Jahren unserer Partnerschaft. Die Gemeinde Uyole ist weiter am Wachsen.

Es ließe sich noch vieles über die vergangenen dreißig Jahre sagen. Aber nun – im trinitarischen Sinne: Was ist der grundsätzliche Hintergrund und Entstehungsgrund für diese Gemeindepartnerschaft?

Grundsätzlich ist es so, dass Kirche ein weltweiter Organismus ist, weil ihr Anliegen alle Menschen umfasst. Wir sind letztlich alle Geschöpfe des einen gemeinsamen Schöpfers. Das ist im Schöpfungsbericht des Alten Testamentes sehr schön anschaulich dargestellt. Wir bilden als Weltgemeinschaft – bildhaft gesprochen – eine große Familie. 

Es ist zwar so, dass sich das Volk Israel dann als das auserwählte Volk des Schöpfers verstanden hat und dass sich in der Nachfolge auch die Kirche als spezielle Gemeinschaft innerhalb der Weltgemeinschaft versteht. Aber Jesus Christus hat das alle Menschen Verbindende betont und hat es uns als Auftrag hinterlassen, das uns Verbindende auch in bestmenschlicher Weise zu gestalten. Besonders der Apostel Paulus war dann in diesem Sinne sehr aktiv.

Was verbindet uns alle als menschliche Geschöpfe? Antwort: Wir haben uns alle nicht selbst geschaffen. Wir haben uns alle die Lebensbedingungen nicht aussuchen können, in die wir hineingeboren worden sind. Wir sind im Grundsätzlichen alle den gleichen unverfügbaren Daseinsbedingungen ausgesetzt: Wir werden alle sterben, wir sind alle von zahllosen Risiken bedroht, können krank werden, bedroht und betrogen werden, haben Wünsche, Sehnsüchte, Hoffnungen, wollen lieben und geliebt werden, können enttäuscht werden. Wir durchleben alle Freud und Leid, sind abhängig von anderen, müssen kraft unseres Bewusstseins zahllose persönliche, oft sehr schwierige Entscheidungen fällen, sind mit vielem überfordert usw. 

Das Leben ist insgesamt nicht einfach - für niemanden, auch nicht für Wohlhabende. Im Konkreten sind die Lebensbedingungen für die einzelnen Menschen und Völker allerdings sehr unterschiedlich. Unser christlicher Auftrag ist, dass wir einander helfen, diese große und großartige Aufgabe des Lebens im besten Sinne zu meistern, die Herausforderungen zu bestehen und uns in den Überforderungen gegenseitig zu stützen. 

Die katholische Kirche hat die weltweite Gemeinschaft organisatorisch am anschaulichsten gestaltet, z. B. durch ein gemeinsames Oberhaupt. Aber wir sind als Christen alle dazu berufen, das weltweite Miteinander wie das Leben einer guten Familie zu gestalten, an Freud und Leid des anderen teilzunehmen, mit den jeweils eigenen Möglichkeiten einander beizustehen mit Rat und Tat und gemeinsam das Geschenk des Lebens zu feiern. 

Partnerschaftbeziehungen über kulturelle Grenzen hinweg sind eine gute Möglichkeit, diesem Auftrag zu entsprechen. In diesem Sinne haben wir uns in den drei Jahrzehnten um eine gute Partnerschaft mit Uyole bemüht. Es ist eine Aufgabe, die grundsätzlich keine zeitlichen Grenzen kennt, was nicht bedeutet, dass sich die konkrete Gestaltung von Beziehungen nicht immer mal wieder verändern kann.

Wir haben nun also als Erstes als mittleren Teil der Dreifaltigkeit die konkreten dreißig Jahre der Partnerschaft betrachtet. Dann haben wir als Zweites nach dem grundsätzlichen Hintergrund der Partnerschaft und den mit ihm verbundenen Auftrag gefragt. 

Im dritten Schritt nun also die Frage: Was bleibt, wenn eine konkrete Partnerschaft zu Ende geht – so, wie das dreißigjährige Erdenleben Jesu Christi zu Ende gegangen ist? 

Es bleibt die Erinnerung an viele schöne Erfahrungen und Erlebnisse und wunderbare menschliche Begegnungen und auch an manche Schwierigkeiten. Es bleibt über die konkreten dreißig Jahre hinaus der immer geltende Auftrag, weltweite menschliche Gemeinschaft zu fördern in gemeinsamen Begegnungen, im Austausch von Erfahrungen und Gedanken, im Füreinander-da- sein und im gemeinsamen Dank und Lobpreis und zur Ehre des gemeinsamen Schöpfers. 

Durch die heutigen Mittel der Technik und Kommunikation erleben wir internsiver als je zuvor, wie klein unser Erdball ist, wie sehr wir als weltweite Gemeinschaft voneinander abhängen und aufeinander angewiesen sind. 

Wir erleben gegenwärtig, wie schmerzlich es ist, wenn jahrzehntelange gute interkulturelle, weltweite Beziehungen in die Brüche geraten. Es ist eine bleibende und zunehmend dringlichere und überlebensnotwendige Aufgabe, das weltweite Miteinander so zu gestalten, dass es dem Leben aller Menschen dient. Als Kirche und als Gemeinden haben wir von unserem ureigensten Auftrag her eine besondere und bleibende Aufgabe.

(Predigt von Pastor Wolfgang Nein in St. Markus, Hamburg-Hoheluft am 27. Mai 2018)

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