Es geht um die Auferstehung. Sie ist das Osterthema. Gestern ging es um die Auferstehung Jesu. Heute geht es um die Auferstehung derjenigen, die an Christus, den Auferstandenen, glauben.
Das war gestern schon kein leichtes Thema. Heute ist es nicht einfacher. „Werden Sie und ich auferstehen?“ So direkt und persönlich könnten wir jetzt fragen – aus Anlass dieses Textes von Paulus. Denn so direkt wurde Paulus von den Gemeindegliedern in Korinth gefragt. Und die Frage an Paulus hat noch eine weitere Variante, nämlich diese: „Werden auch diejenigen auferstehen, die bereits verstorben sind?“
Die Auferstehungsberichte der Evangelien müssten gar nicht so gelesen werden, als ginge es dabei auch um die Frage, was mit uns nach unserem leiblichen Tod geschieht. Die Auferstehungsberichte der Evangelien wollen zunächst einmal aussagen, dass die Kreuzigung Jesu das Werk Jesu in dieser Welt nicht hat zunichtemachen können.
Diejenigen, die ihn haben mundtot machen wollen und die seinem – aus ihrer Sicht – aufrührerischen Wirken ein Ende haben bereiten wollen, die haben ihr Ziel letztlich nicht erreicht. Jesus konnte zwar nicht weitermachen wie bis dahin – in höchst eigener leibhaftiger Gestalt. Aber sein Anliegen hat er weitergeben können. Was er in der kurzen Zeit seines irdischen Wirkens gesagt und getan hatte, das war von so überzeugender Kraft gewesen, dass es die Herzen seiner Anhänger – auch nach dem Schock der Kreuzigung – weiterhin so sehr erfüllte, dass sie weitergeben mussten und wollten, was sie von ihm gehört und mit ihm erlebt hatten.
Die Auferstehungsberichte der Evangelien führen Zeugen an, Frauen und Männer, die den Auferstandenen gesehen haben. Sie schildern Begegnungen mit dem Auferstandenen bis hin zum Tag der Himmelfahrt Jesu, wo er die Fortsetzung seines Werkes in die Hände seiner Jünger legt.
Diese Auferstehungsberichte haben u. a. zwei Folgen gehabt, mit denen sich der eine oder andere von uns vielleicht schwertut.
Zum einen wird oftmals in der Auferstehung die eigentliche Begründung und Bestätigung der Bedeutung des Wirkens Jesu gesehen. Ich sage das jetzt einmal vereinfacht so: Daran, dass Jesus auferstanden ist, so sagen manche, erkennen wir, dass er wirklich der Sohn Gottes gewesen ist. Und da er wirklich der Sohn Gottes war, ist das, was er gesagt und getan hat, auch von allergrößter Bedeutung und Verbindlichkeit.
Diesem Argumentationsgang müssen wir nicht unbedingt folgen. Denn er wirft die Frage auf, ob er das Reden und Handeln Jesu wirklich ernst nimmt. Würde es denn das Wirken Jesu in seiner Bedeutung mindern, wenn wir die Berichte von seiner Auferstehung nicht hätten? Ist es denn nicht vielmehr so, dass die Worte Jesu unmittelbar in unser Herz dringen? Und dass uns sein Handeln unmittelbar im Herzen anrührt?
Und ist es den Anhängern Jesu damals nicht auch so ergangen, dass sie so erfüllt waren von all den Erfahrungen mit ihm, dass sie seine Hinrichtung nicht als das Ende seines Anliegens annehmen konnten?! Und haben sie uns nicht darum – im Stile der damaligen Zeit - die Berichte von seiner Auferstehung überliefert, weil sie den nachfolgenden Generationen anschaulich weitergeben wollten: Er lebt. Die Sache Jesu geht weiter!?
Und nicht umgekehrt: Weil Jesus auferstanden ist, ist sein Reden und Handeln im Nachherein als bedeutsam zu bewerten.
Es mag sein, dass wir es den Auferstehungsberichten zu verdanken haben, dass uns das Wirken Jesu überhaupt überliefert worden ist. Aber sie begründen nicht die Bedeutung des Anliegens Jesu. Die Bedeutung Jesu hat ihren Grund darin, dass er die Liebe zum Leben und zum Menschen gelebt hat und dass Menschen in ihrem Herzen darin die Art Gottes erkannt haben und sie zu dem Glauben gelangten: So ist Gott, wie Jesus Christus geredet und gehandelt hat. Die Auferstehungsberichte veranschaulichen diesen Glauben. Sie begründen ihn aber nicht.
Die andere Folge der Auferstehungsberichte war die Auffassung, es ginge dabei um den Anfang der Auferstehung eines jeden einzelnen Menschen nach dem leiblichen Tod – oder vielleicht schon vorher, verbunden mit der Frage, wie es dann mit den bereits Verstorbenen stünde. Das ist die Frage, mit der sich Paulus in der Gemeinde von Korinth zu beschäftigen hat.
Dass die Auferstehungsberichte bei etlichen Menschen ganz konkrete Hoffnungen auf eine persönliche Auferstehung ausgelöst haben, ist nachvollziehbar. Paulus tritt aber allzu konkreten Erwartungen entgegen. Allerdings rechnet er mit einer Wiederkehr Christi und einer damit verbundenen Auferstehung aller Lebenden und Toten noch zu seinen Lebzeiten. Er hat sich im Zeitpunkt geirrt.
Was ist aber überhaupt zur persönlichen Auferstehung zu sagen? Paulus spricht vom Eintritt in das Reich Gottes und vom Verweslichen und Unverweslichen des menschlichen Seins.
Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen – dieser Ruf steht ganz am Anfang des Wirkens Jesu. Die Evangelien fordern uns auf, im Auftreten Jesu die ersten Anzeichen des Reiches Gottes zu erkennen.
Wenn wir in den Evangelien vom Reden und Handeln Jesu lesen, bildet sich dann nicht in unseren Herzen tatsächlich eine Vorstellung vom Reich Gottes? Beginnen wir dann nicht zu ahnen, wie das sein könnte: der Himmel auf Erden? Und wird uns dann nicht auch zugleich klar, dass es den Himmel auf Erden nicht geben wird, nicht flächendeckend jedenfalls, und nicht über einen längeren Zeitraum – vielleicht aber doch hier und da, immer mal wieder für einen Augenblick, in einem freundlichen Lächeln, einem guten Wort, einer liebevollen Geste?!
Die Leibhaftigkeit unseres Seins, das Verwesliche an uns, wie Paulus sagt, lässt es nicht zu, dass sich allzu viel Himmel entfalten kann. Der Kampf um die tägliche Existenz, die Anforderungen und Bedürfnisse des Leibes und die vielen drängelnden Kräfte in uns verhindern, dass die Sehnsucht nach Himmel zu einer dauerhaften Wirklichkeit wird.
Aber die Sehnsucht ist da. Eine Ahnung ist in uns, dass unsere materielle, vergängliche Welt, unser körperliches, verwesliches Sein umfangen ist von einer anderen, ganz anderen Welt. Wie könnten wir sie beschreiben? Wir können es nicht. Was wir tun können ist dies: dass wir uns einlassen auf jenen Jesus von Nazareth von damals, der ja war wie ein Bote aus jener anderen Welt. Er hat uns die Welt unserer Sehnsucht als himmlisches Reich erleben lassen mit einem Gott, der seine Geschöpfe in Liebe ins Dasein entlässt und sie in Liebe wieder zu sich nimmt. Das war zu allen Zeiten so und gilt für alle Lebenden und Toten.
Jener Jesus von Nazareth hat uns die Augen und die Ohren, all unsre Sinne und unsere Herzen auch schon für das Hier und Jetzt geöffnet und uns geholfen, die Schönheiten um uns herum wahrzunehmen, das Himmlische in unserer irdischen Welt, und hat uns ermutigt, nicht nachzulassen, uns zu sehnen und zu hoffen auf mehr vom Heilen und Vollkommenen.
Die Hoffnung auf Auferstehung soll keine Flucht aus dieser Welt sein, vielmehr Ansporn, dem Himmlischen schon hier und jetzt mehr Raum zu schaffen. Wann und wo und wie wir in das Reich Gottes, das vollkommene Reich des Himmlischen eintreten, darüber können wir in unserer Sehnsucht spekulieren. Aber alles Rätselraten können wir letztlich nur in die Hand Gottes legen und seiner Entscheidung anheimstellen.
Festhalten können wir aber dies: dass unser Leben mehr ist als unser hiesiges gebrochenes Dasein in Verweslichkeit und Schuldverfallenheit. Die andere Welt, das Himmlische, das Reich Gottes, scheint immer wieder durch. Es hatte in Jesus Christus leibhaftige Gestalt angenommen und ist für uns bis auf den heutigen Tag erfahrbar geblieben.
Der Geist Jesu Christi kann uns schon hier im Herzen verwandeln, uns öffnen und bereitmachen für das, was er uns an Göttlichem zu geben hat.
Lassen Sie uns den Spuren des Himmlischen folgen und mithelfen, dass schon hier und heute auf Erden mehr Himmel werde.
(Predigt von Pastor Wolfgang Nein in St. Markus, Hamburg-Hoheluft am 17. April 2006)