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13.-19.10.19


Der Sieg der Liebe in und durch Jesus Christus

1. Johannes 5,4b


Die Welt und das Reich Gottes, das sind zwei Begriffe, die im Neuen Testament immer wieder gegeneinander gesetzt werden. Welt ist dabei der negative Begriff. Er bezeichnet den Bereich der Gottesferne. Weltlich ist das, was ohne Gott ist.

Welt im biblischen Sinne meint nicht einfach die materielle Welt im Gegensatz zur geistigen oder jenseitigen. Welt meint nicht nur das Leibhaftige, das mit unseren Sinnen Erfassbare - im Gegensatz zum Übersinnlichen. Denn Welt im Sinne des materiellen, mit unseren Sinnen Erfassbaren ist ja auch Schöpfung Gottes. Wir lesen im Alten Testament, dass Gott nach der Schaffung dieser Welt zufrieden war. „Er sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.“

Der Begriff erhält seine negative Färbung dadurch, dass der Mensch mit der Schöpfung schließlich ohne Rücksicht auf den Schöpfer umgeht. Im Umgang mit der Schöpfung lässt er sich nicht mehr leiten von der Frage nach dem Sinn, den der Schöpfer in sein Werk hineingelegt haben mag. Er lässt sich nicht mehr leiten von der Frage nach dem an den Menschen gerichteten Auftrag, den der Schöpfer mit seinem Werk verbunden haben mag. Der Mensch wirft Gott gleichsam aus der Schöpfung hinaus. Er geht dann mit ihr um, als wäre sie ein neutrales Etwas, ein Spielball menschlicher Willkür.

Die so von Gott entleerte Schöpfung ist die Welt im negativen Sinne des Neuen Testaments. Der Begriff bezeichnet also unser gottloses Verhältnis zur Schöpfung. In diesem Verhältnis ist der Mensch nicht mehr Geschöpf Gottes, sondern bloß ein - drastisch formuliert - neutrales Bündel Fleisch. Der Umgang mit dem Menschen ist bestimmt durch die Reflexe, die ein Bündel Fleisch nun einmal von sich gibt.

 Jesus Christus ist nun derjenige, der das, was auseinandergebrochen ist, wieder zusammenfügt. Er setzt den Schöpfer wieder in die Schöpfung ein. Er macht aus der Schöpfung wieder das, was sie war und was sie künftig wieder sein soll: nämlich das Reich Gottes. Er behandelt den Menschen wieder als Geschöpf Gottes.

Die Art dieser Beziehung zum Geschöpf und zu allem  Geschöpflichen bezeichnet das Neue Testament - und in unübertrefflicher Weise dieser 1. Johannesbrief, aus dem der Wochenspruch stammt, mit dem Begriff „Liebe“. „Gott ist die Liebe“ heißt es an einer Stelle. Und er beziehungsweise sie wird durch Jesus Christus wieder zum bestimmenden Merkmal der Beziehung zur Schöpfung.

So hat Jesus Christus die Welt überwunden, indem er durch seine eigene Person die gestörte Beziehung zur Schöpfung heilte. Und so ist der Glaube an diese heilende, Gott wieder in die Welt einsetzende Kraft Jesu Christi der Sieg über die gottlose Welt.

Dieser Sieg ist nicht universell, nicht allerorts vollzogen. Wir wissen, dass die menschliche Beziehung zum Geschöpf Mensch und zur ganzen Schöpfung überhaupt weitgehend gerade nicht durch das geprägt ist, was wir mit Liebe bezeichnen. Aber in Jesus Christus selbst ist dieser Sieg errungen. Durch ihn ist die gotterfüllte Beziehung zur Schöpfung Wirklichkeit geworden. In jedem, der an Jesus Christus glaubt, vollzieht sich dieser Sieg weiter.

Glauben heißt in diesem Sinne, die eigene Beziehung zur Schöpfung durch Jesus Christus neu gestalten zu lassen - durch die Weise, durch die Mittel Jesu Christi neu gestalten zu lassen, also sich leiten zu lassen durch eine Gestalt äußerlicher Schwäche und durch äußerlich schwache Mittel. An Jesus Christus glauben heißt, auf eine Kraft zu vertrauen, die zwar zu keinem triumphalen Sieg führen kann, die aber dennoch - für den Glaubenden - die Welt verändert.

(Morgenandacht  in St. Markus, Hamburg-Hoheluft, 13. Oktober 1981)

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