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24.-30.6.18


„Mir hilft doch auch keiner!“, stimmt nicht

Galater 6,2


„Als hätte nicht jeder sein eigenes Päckchen zu tragen!“ könnte einer resigniert stöhnen. Oder: „Mir hilft doch auch keiner!“ Die Lasten anderer mittragen zu sollen, ist schon ein ziemliches Ansinnen. Als Trauspruch ist dieser Satz durchaus nicht unbeliebt. Die Ehe ist aber eine ganz spezielle Beziehung, in der die Partner die besten Vorsätze fassen - unter anderem diesen: füreinander da zu sein, einander zu helfen in allen Beschwernissen des Lebens. 

Auf die eheliche Beziehung hat sich Paulus mit seinem Satz aber nicht bezogen. Er meint die zwischenmenschliche Beziehung schlechthin. Paulus wendet sch an diejenigen, die sich Christus verbunden fühlen. Von diesem her ergeht der Anspruch an uns alle, nicht nur ich-bezogen die eigenen Probleme zu sehen, sondern auch die Probleme der anderen - und diese nicht nur zu sehen, sondern aktiv mit lösen zu helfen. 

Sich mit den Problemen anderer belasten zu sollen, mag wie eine Zumutung erscheinen. Wenn wir aber den umgekehrten Blickwinkel wählen, sieht die Sache schon anders aus. Wenn wir selbst Probleme haben, wünschen wir uns durchaus, dass andere uns damit nicht allein lassen, sondern uns irgendwie heraushelfen. 

Der Satz „Mir hilft doch auch keiner!“ stimmt nicht. Eine so resignative Aussage beruht auf einer sehr verengten Sichtweise. Uns wird auf vielfache Weise Hilfe zuteil - persönlich und strukturell. Mit „strukturell“ meine ich, dass unser ganzes gesellschaftliches System so ausgerichtet ist, dass jeder Mensch in den unterschiedlichsten Problemlagen Unterstützung erfährt. Daran haben wir uns aber schon so sehr gewöhnt - und nehmen das schon als so selbstverständlich hin, dass wir kaum noch merken, wie viele unserer Lebenslasten von anderen mitgetragen werden. Was Paulus das „Gesetz Christi“ nennt, ist in umfassender Weise in staatliche Gesetze zu unser aller Entlastung eingeflossen. Wir bleiben aber darüber hinaus weiterhin aufgerufen, die Aufforderung des Paulus ganz persönlich ernst zu nehmen, zum Wohl des Mitmenschen, zu unserem eigenen Wohl und zur Ehre Gottes. 

(Morgenandacht in St. Markus, Hamburg-Hoheluft am 10. Juli 2001)

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