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Trinitatis (16.6.19)


Woher kommen wir? Wer sind wir? Was wird aus uns?

2. Juni 1996

Trinitatis

2. Korinther 13,11-13


Manch einer weiß schon nicht, warum wir Pfingsten feiern. Aber nun frage ich Sie: „Warum feiern wir Trinitatis? Was hat es mit dem heutigen Fest der Dreieinigkeit auf sich?“ Da fällt selbst kirchlichen Insidern eine Antwort schwer.

Unter einer Triangel kann man sich noch etwas vorstellen. Die ist einfach gebaut: ein Metallstab so zurechtgebogen, dass es ein Dreieck ergibt. Wenn man die einzelnen Seiten anschlägt, egal welche von den dreien, ergibt das immer den einen selben Ton. Das ist einfach, das ist schlicht, das ist nicht weiter kompliziert.

Aber „Trinitatis“ - mit drei hat es zu tun, tri - drei, das ist klar, aber dann? Was wir vielleicht auch noch wissen, ist, dass es irgendwie um diese drei geht: Gott, den Vater zum Einen, um Jesus Christus zum Zweiten und um den Heiligen Geist zum Dritten. Entsprechend ist unser Glaubensbekenntnis aufgebaut - in diesem Dreierschritt: Ich glaube an Gott, den Vater, dann: Ich glaube an Jesus Christus, und: Ich glaube an den Heiligen Geist.

Dass diese Drei nicht nur drei sind, sondern eins, fordert unseren Verstand vielleicht schon über die Maßen. Wie können die drei zugleich eins sein? Vielleicht lässt sich das einigermaßen nachvollziehen, wenn wir bedenken, dass dies auch für jeden Menschen gilt: Wir sind eine Person, aber doch zugleich auch drei. 

Nehmen wir als Beispiel irgendeinen Vater. Dieser Mensch ist Vater. Er ist zugleich aber auch Kind seiner Eltern. Und wenn er eines Tages stirbt, was bleibt dann von ihm? Ganz davon ist er dann auch nicht. Beim Anblick seines Kindes, wird vielleicht der oder andere sagen: „Ganz der Vater!“ In seinem Kind lebt der Vater in der einen oder anderen Weise fort - in dem Aussehen des Kindes vielleicht, aber nicht nur darin, auch in dem, was das Kind tut, was es sagt, wie es redet, wie es denkt. Irgendwie wirkt der Vater, für eine Mutter gilt das natürlich gleichermaßen, auch nach seinem Tod weiter - geistig, wie ein guter Geist, vielleicht auch wie ein nicht so guter Geist.

Wir könnten also sagen: Herr X ist in einer Person dreierlei: Vater, Sohn und irgendwann Geist. So könnten wir die Dreieinigkeit Gottes verstehen. Gott ist Vater, nämlich der Vater Jesu Christi. Er ist zugleich Sohn, nämlich in der Gestalt Jesu Christi, und er ist Geist - nämlich als die nach Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt bis heute weiterwirkende Kraft. So stark ist diese Kraft immerhin heute noch, dass sie uns heute Morgen aus dem Bett und hierher in die Kirche getrieben hat.

Also, so ein bisschen können wir uns das mit der Trinität, mit der Dreiheit - Vater, Sohn und Heiliger Geist, zurechtlegen. 

Es bleibt vielleicht trotzdem ein schwieriges Thema. Das sehen wir schon daran, dass die Moslems beispielsweise uns vorhalten, wir hätten drei Götter: den Schöpfergott, dann Gott in Menschengestalt, Jesus Christus, und einen Gott, den wir Heiligen Geist nennen. Aber so ist das nicht gemeint. Wir haben nur einen Gott. Wir meinen nur die drei Aspekte dieses einen Gottes. 

Zu Trinitatis geht es um Gott. Wer, was, wie ist Gott? Es geht um unser Gottesbild. Als Christen haben wir ein spezielles Gottesbild. Wir sprechen von Gott in dieser dreifachen Gestalt oder mit diesen drei Namen: Vater, Sohn, Heiliger Geist.

Ich möchte das noch mal ganz allgemein sagen: Wenn wir von Gott reden, dann reden wir von unserem ganzen Dasein, von der Ganzheit unserer Existenz. Diese Ganzheit des Daseins lässt sich auch gerade mit drei Begriffen gut erfassen: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Aus diesen drei zeitlichen Kategorien besteht unser Dasein. Das sind zwar abstrakte Begriffe, sie können für uns aber zu ganz persönlichen Fragen werden, nämlich: „Woher komme ich? Wer bin ich?“ Und: „Was wird aus mir?“ Das sind philosophische Fragen ersten Grades. Oder hier in der Kirche sollte ich besser sagen: Das sind theologische Fragen ersten Grades. Theologie ist das Reden von Gott. Und diese drei Fragen beantworte ich, indem ich auf den Begriff Gott oder die Vorstellung von Gott zurückgreife. 

Zum ersten: „Wo komme ich her?“ Aus dem Mutterleib - das ist wohl wahr. Aber die Antwort ist doch zu vordergründig. Wir sind das Verschmelzungsprodukt aus einer von Millionen von Samenzellen mit einer von ebenfalls vielen Eizellen. Wir könnten insofern sagen: „Wir sind ein Zufallsprodukt der Natur.“ Aber so neutral wollen wir uns nicht definieren. Wir formulieren es persönlicher. Wir sagen: Wir sind Geschöpfe Gottes. Wir sind Geschöpfe dessen, der dieses Dasein letztendlich eingerichtet hat. Ja, wir gehen in unserer Formulierung sogar so weit, dass wir sagen: „Wir sind Kinder dieses Schöpfers, wir sind Kinder Gottes.“ Das ist die sehr persönliche Formulierung eines Tatbestandes, den andere lieber nur mit Begriffen der Wissenschaft formulieren wollen. 

Aber wenn wir fragen: „Wo kommen wir her?“, interessiert uns in der Regel weniger unser Ursprung im naturwissenschaftlichen Sinne. Die Frage richtet sich vielmehr auf unseren Ursprung im persönlichen Sinne. Unser christlicher Glaube hält dafür eine sehr schöne Antwort bereit. Er sagt uns nämlich: „Wir sind aus Liebe geboren. Der Schöpfer allen Lebens ist ein liebender Gott.“ Unser Leben verstehen wir als ein Geschenk, als eine wunderbare Gabe dieses liebenden Gottes. Man kann das auch alles anders sehen, aber so ist unser Gottesverständnis. So verstehen wir unsere Herkunft. Das war also die Antwort auf die erste der drei Fragen: „Wo komme ich her?“ Das war der Blick in die Vergangenheit.

Dann zum Zweiten der Blick in die Gegenwart: „Wer bin ich?“ Darauf könnten wir auch wieder ganz neutral naturwissenschaftlich antworten: Die Antwort könnte z. B. lauten: „Wir sind alle nur hauptsächlich Wasser - mit ein paar festen Bestandteilen vermischt.“ Aber das war es wohl nicht, was wir wissen wollten. „Wer bin ich?“ Darauf hätten wir gern eine etwas persönlichere Antwort. Diese persönliche Antwort wird uns durch Jesus Christus zuteil. Er hat uns nämlich angenommen wie ein guter Freund. Er akzeptiert uns mit unseren Schwächen und Fehlern, er will unser Bestes, er steht uns bei. Aus dieser Beziehung heraus sollen wir uns verstehen dürfen. Und aus dieser Beziehung heraus können wir antworten: „Wir sind gemocht, wir sind geliebt.“ Das ist eine ganz wunderbare Antwort. 

Wir sind uns manchmal wirklich unsicher, wer wir eigentlich sind. Wenn uns jemand von oben bis unten geringschätzig angesehen hat, werden wir unsicher. Wenn wir als Schülerin eine fünf in der Arbeit bekommen haben, wenn uns die Firma in die Arbeitslosigkeit entlässt, wenn wir für ein Missgeschick ausgelacht oder für ein Fehlverhalten heftig kritisiert werden, dann können wir schon ziemlich unsicher werden. Oder wenn wir etwas getan haben, wodurch wir uns über uns selbst schämen, kann das zur existentiellen Frage für uns werden. Da hilft dann nicht die Antwort, dass wir Wasser und ein paar feste Bestandteile wären. Die Antwort unseres Glaubens auf die Frage „Wer bin ich?" lautet: „Wir sind geliebte Wesen Gottes, Freunde Jesus Christi. Er hat uns für wert befunden, sein Leben für uns hinzugeben. Wir sind etwas wert, und zwar deutlich mehr als ein Liter Wasser. Wir sind auch mehr wert, als die Versicherungssumme unserer Lebensversicherung. Wir sind unendlich viel wert. Wir sind unbezahlbar.“ Das ist die Antwort auf die zweite Frage, die Antwort auf die Frage nach unserer gegenwärtigen Existenz. 

Und dann schließlich die Frage nach dem Wohin. „Was wird aus uns? Was bleibt?“ Bei der Bestattung auf dem Friedhof zitieren wir aus dem Alten Testament: „Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zum Staube.“ Das ist die eine Sicht der Dinge: Im materiellen Sinne bleibt von uns nicht viel - körperlich betrachtet. Da bleiben nur ein paar Krümel. Unser Glaube aber sagt uns: „Wir bleiben aufgehoben in einer Gemeinschaft, die alle Grenzen überschreitet, auch die Grenze des Todes.“ Wir lösen uns nicht im Quasi-Nichts auf, wir bleiben in der Liebe Gottes auf immer geborgen. Jesus Christus hat die Dauerhaftigkeit der gemeinschaftlichen Verbundenheit zu Himmelfahrt formuliert, als er sagte: „Ich bleibe bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Den Zuspruch dieser ewigen Gemeinschaft feiern wir übrigens immer wieder im Abendmahl.

Trinitatis, das heutige Fest der Dreieinigkeit Gottes, hat also letztlich zu tun mit den drei Grundfragen unserer Existenz: „Wo kommen wir her, wer sind wir, was wird aus uns?“ Die trinitarische Antwort lautet: „Wir sind aus der Liebe Gottes geboren, wir sind Freunde Jesu Christi und wir bleiben geborgen in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes.“ Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind dreierlei, und doch auch eins. Denn jeder Augenblick, und sei er noch so kurz, besteht aus diesen drei. Das Ganze unseres Daseins ist aufgehoben in dem einen Gott der Liebe und des Friedens. 

Was uns zugesagt und verheißen ist, ist zugleich unser Auftrag, nämlich: die Schöpfung Gottes zu schützen und zu bewahren und insbesondere den Mitmenschen als das geliebte Kind Gottes zu behandeln, die Freundschaft Jesu im zwischenmenschlichen Miteinander zu gestalten und dies in einer dauerhaften und alle Grenzen überschreitenden Gemeinschaft. 

(Predigt von Pastor Wolfgang Nein in St. Markus, Hamburg-Hoheluft am 2. Juni 1996)

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