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Ostern (21.4.19)


Die Liebe ist nicht totzukriegen!

8. April 2007

Ostersonntag 

Johannes 20,11-18


Jesus Christus ist auferstanden. Der von Menschenhand zu Tode Gebrachte ist ins Leben zurückgekehrt. Er lebt wieder. Er lebt doch noch, der Totgeglaubte!?

Ist der Film seines Lebens um einige Tage zurückgespult worden - und wird von da ab jetzt anders weitergedreht? Wird sein Leben in eine andere Richtung fortgesetzt ab einem Zeitpunkt vor Karfreitag, als er noch unter den Lebenden war?

Nein, Karfreitag bleibt bestehen. Es wird nicht zurückgedreht. Es wird nichts ausgelöscht aus seiner Biographie. Jesus ist zwar wieder da - er lebt, aber er setzt nicht sein Leben von vorher fort. Er ist nicht mehr der, der er vor Karfreitag war. Er ist nicht mehr der Jesus von Nazareth - aus Fleisch und Blut. Seine äußere Erscheinung würde für eine amtliche Beurkundung seiner Identität nicht mehr taugen.

Er steht vor Maria von Magdala; zuletzt hatte sie ihn vor drei Tagen gesehen. Sie erkennt ihn nicht. „Hast du ihn weggetragen?“, fragt sie ihn, denn sie meint, er sei der Gärtner. Er gibt sich schließlich zu erkennen - mit seiner unverwechselbaren persönlichen Anrede: „Maria!“

Der Auferstandene begegnet Maria von Magdala am Grab in der Gestalt eines beliebigen Mitmenschen. Auch die beiden Jünger auf dem Weg nach Emmaus erkannten in dem fremden Passanten den Auferstandenen zunächst nicht, bis er sich selbst zu erkennen gab - durch das Brechen des Brotes.

So kann es uns bis heute ergehen: dass wir dem Auferstandenen gegenüberstehen - in der Gestalt eines beliebigen Mitmenschen. Er ist dann zwar nach 40 Tagen gen Himmel gefahren. Aber auch als der auf den himmlischen Thron Erhöhte lässt er uns wissen: „Was ihr einem von diesen meinen geringsten Brüdern und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan.“

Jesus Christus lebt. Er kann uns in jedem Menschen begegnen. Er möchte in jedem Menschen gesucht und wahrgenommen werden - als Gottes Geschöpf, als Gottes Kind, als Bote Gottes, der uns Wichtiges zu vermitteln hat, oder auch als geschundene Kreatur, die uns zur Barmherzigkeit herausfordert. Beides hatte Christus in seiner Person als leibhaftiger Mensch vereint: die göttliche Botschaft und das menschliche Leiden. Nun kann er uns auf beiderlei Weise begegnen in einem Menschen, der uns zunächst so alltäglich erscheinen mag wie der Gärtner, den Maria vor sich zu haben meinte.

Also seien wir wachsam. Hören wir und schauen wir aufmerksam hin. Betrachten wir unseren Mitmenschen stets auch mit dem Herzen, sodass wir aus allem Menschlichen und Allzumenschlichen vielleicht auch das Göttliche herauszuspüren vermögen.

Das Leben ist überhaupt etwas Göttliches. Das Leben ist etwas Wunderbares und Einzigartiges. Es ist gut, dass wir ein Fest dafür haben: Das Fest des Lebens - Ostern.

Das Leben ist stärker als die Kräfte, die das Leben zerstören. Wir können ganz viel kaputt machen. Aber das Leben bahnt sich immer wieder seinen eigenen Weg und entfaltet sich neu.

Wir machen ganz viel Leben kaputt. Wir sollen aber nichts kaputt machen. Wir tragen eine Mitverantwortung für das Leben. Karfreitag jagt uns einen Schrecken ein. Es soll ein heilsamer Schrecken sein.

Das Kreuz hält uns einen Spiegel vor. Wie konnte nur ein solcher Mensch hingerichtet werden, der in allem, was er sagte und tat, mit seiner ganzen Person, die Liebe verkörperte?!

Die einen haben seine Tötung geplant, die anderen haben mitgemacht, die nächsten haben sie ausgeführt. Freunde haben ihn nicht verstanden, haben ihn verleugnet, verraten, im Stich gelassen.

Das Kreuz von Karfreitag ist ein Spiegel menschlicher Abgründe. Das soll uns erschrecken und aufrütteln. Ostern aber macht das Kreuz zum Zeichen des Sieges. Das Leben obsiegt über alle Kräfte der Zerstörung. Die Liebe ist stärker als der Tod. Mahnung und Hoffnung verbinden sich in den Balken des Kreuzes.

Wie viele Menschen sind von Menschenhand ums Leben gekommen! Die Millionen von Kreuzen auf den Kriegsgräbern sind eine schier endlose Mahnung. Der Mensch scheint unbelehrbar und unverbesserlich zu sein. Dennoch bleibt der Mensch ein geliebtes Geschöpf Gottes - als Opfer und Täter. Mit dieser Zusage wendet sich der Auferstandene an seine schwächlichen Freunde und seine mächtigen Feinde.

Karfreitag ist nicht zum Verdammungsurteil über den Menschen geworden. Der Weg in ein neues Leben - in Besinnung und Buße und Besserung - ist uns zu Ostern eröffnet worden. Der Stein vor dem Grab ist zur Seite gerollt. Wir selbst dürfen heraustreten und ein neues Leben wagen im Lichte des Auferstandenen, im Geist seiner Liebe, seines Respektes vor dem Leben, vor der Schöpfung Gottes, vor seinem Geschöpf Mensch insbesondere.

Ostern ist ein Angebot Gottes an uns. Nutzen wir die Chance.

Der Mensch ist dauerhaft durch den Menschen bedroht. Die ganze Schöpfung ist durch den Menschen bedroht. Uns Menschen ist als Teil der Schöpfung eine Mitverantwortung für die Schöpfung übertragen. Der Schöpfer traut uns Gutes zu - trotz Karfreitag, trotz der Menschheitsgeschichte.

Ostern ist das göttliche Geschenk der Vergebung, der unzerstörbaren Treue, des Zuspruchs von Vertrauen - trotz allem, was geschehen ist. Ostern ist das erlösende Dennoch.

Die Jünger haben es zunächst nicht glauben wollen. Sie haben nicht nur nicht glauben wollen, dass er ins Leben zurückgekehrt ist. Sie haben auch nicht glauben wollen, dass er es weiterhin gut mit ihnen meint.

Der Auferstandene war ihnen unheimlich. Sie waren nicht nur enttäuscht gewesen über sein schnelles gewaltsames Ende. Sie hatten nun auch ein schlechtes Gewissen. Zu Recht! Petrus hatte ihn verleugnet. Sie alle hatten ihn im Stich gelassen. Würde der Auferstandene mit ihnen nun ins Gericht gehen?

Christus kommt nicht, um sie zu schelten. Im Gegenteil: Er bekräftigt seine liebevolle Treue. Er wird sie, die Jünger, im weiteren Verlauf beauftragen, in die Welt hinauszugehen und in seinem Namen zu reden und zu handeln und zu taufen. Und Petrus, gerade Petrus, dem Verleugner, wird er eine besondere Aufgabe übertragen.

Das göttliche Vertrauen, das der Auferstandene uns zuspricht, stärkt die Hoffnung, macht Mut, schafft Selbstvertrauen und nimmt uns auch in die Pflicht.

Die Pflicht ist nicht das vorrangige Thema heute: Aber das Geschenk der Gnade, das in der Auferweckung Jesu Christi enthalten ist, ist auch ein Auftrag an uns.

Heute soll einfach die Freude im Vordergrund stehen, die Dankbarkeit dafür, dass die zerstörerischen Kräfte nicht obsiegen, dass die Liebe nicht totzukriegen ist, dass Jesus Christus lebt und mit ihm die in ihm verkörperte Liebe Gottes zu uns Menschen und zu seiner ganzen Schöpfung. 

(Predigt von Pastor Wolfgang Nein in St. Markus, Hamburg-Hoheluft am 8. April 2007)

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