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18.-24.8.19


Verantwortung wahrnehmen

Lukas 12,48


Jeden Tag sollten wir so leben, als wäre es der letzte. Jeden Tag sollten wir so leben, als müssten wir morgen vor denjenigen hintreten, vor dem wir Rechenschaft über unser Leben ablegen müssen. Jeden Tag sollten wir so leben, als stünde die Wiederkehr Jesu Christi unmittelbar bevor.

Es ist ein hoher Anspruch, der von diesem Lukastext ausgeht. Denn wir lassen uns gern gehen. Wir würden das gar nicht aushalten, immer nur gut zu sein. Das geht nicht nur Kindern so. Wir müssen auch mal über die Stränge schlagen. Das Unerlaubte tun hat auch seinen Reiz, und mancher käme sich sogar dumm vor, wollte er sich an Recht und Gesetz halten. Für manche ist es geradezu ein Sport, das Recht zu beugen. „Man darf sich nur nicht erwischen lassen!“ Notfalls ist es ein Kavaliersdelikt.

Manche Art des Rechtsbruchs ist gesellschaftsfähig, vor allem da, wo die Opfer weit weg sind und zu schwach, um den Mund aufzutun, und zu unwissend, um das Ganze zu durchschauen. Und wo kein Kläger ist … Und wenn doch, dann gibt es ja auch noch den Rechtsanwalt. 

Der Text bei Lukas will uns zu größerem Ernst herausfordern: Stellt euch vor, es wäre die letzte Stunde, eure letzte Chance der Bewährung - der Richter steht vor der Tür. 

Das Beispiel, dass hier verwendet wird, erinnert uns an etwas, was wir oft vergessen: dass ein Rechtsbruch zwischenmenschliche Konsequenzen hat. Im Zusammenhang unseres Wochenspruches geht es um einen Verwalter, der Arbeiter einsetzt. Wenn dieser Verwalter, statt den Arbeitern den wohlverdienten Lohn auszuteilen, diesen für sich selbst behält und sich damit ein genüssliches Leben finanziert, seine Arbeiter misshandelt und sich selbst in die Kneipe setzt und verfrisst und versäuft, was er den anderen vorenthalten hat, dann soll er wissen, dass in jedem Augenblick sein Vorgesetzter durch die Kneipentür hereintreten könnte. Dann würde er zur Rechenschaft gezogen. Und die Strafe wäre umso härter, je größer das Vertrauen war, das in ihn gesetzt war und missbraucht worden ist. 

Die Art von Ausbeutung, die uns hier am Beispiel des Verwalters vor Augen geführt wird, gehört zu unseren alltäglichen Erfahrungen. Manchmal sind wir vielleicht Opfer einer solchen Ausbeutung, aber häufiger stehen wir wohl auf der Seite der Ausbeuter und ziehen Nutzen aus dem, was anderen vorenthalten wird.

So müssen wir den Anspruch des Wochenspruchs auch an uns selbst gerichtet verstehen: Uns ist viel gegeben, darum kann auch viel von uns erwartet werden. Uns ist viel anvertraut. Darum wird man umso mehr von uns fordern.

(Morgenandacht in St. Markus, Hamburg-Hoheluft am 18. August 1987)

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