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25.-31.8.19


Das Werte- und Deutungssystem ist nicht gleichgültig

Psalm 33,12


Es ist nicht gleichgültig, was für einen Gott ein Volk hat. Oder weltlicher ausgedrückt: Es ist nicht ohne Belang, welches Wertesystem das Leben einer Gesellschaft bestimmt. Der Glaube an einen bestimmten Gott ist verbunden mit einem bestimmten System von Erklärungsmustern für unser Dasein, von Deutungszusammenhängen dessen,  was sich in der Geschichte abspielt, von Sinngebung, von verbindlichen Werten für die ganze Gesellschaft und daraus folgenden praktischen Konsequenzen für die konkrete Gestaltung der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Mit anderen Worten: Ob einer in einem bestimmten christlichen Kontext aufwächst oder in einem muslimischen beispielsweise, ist nicht gleichgültig. Ohne zunächst die eine oder die andere Religion und die daraus folgenden Konsequenzen zu werten, bleibt festzuhalten, dass da ganz erhebliche Unterschiede bestehen.

Das Volk Israel hat es als eine besondere Gnade empfunden, den Gott Jahwe, den Herrn, zum Gott zu haben. Der Dichter des 33. Psalms lobt die Vorzüge dieses Gottes. Er preist seine Schöpfermacht, sein Wirken in der Geschichte, seine Nähe zum Volk, seine Gerechtigkeit. Wir lesen immer wieder von der Dankbarkeit der Israeliten, dass sich der Gott Jahwe gerade ihnen zugewandt hat. Und wir lesen davon, wie sie um die Anerkennung ihres Gottes in der eigenen Gemeinschaft kämpfen. Denn ein anderer Gott hätte immer auch ein anderes Leben bedeutet, andere Werte, andere Lebensordnungen.

 Wir haben in unserer eigenen Geschichte erlebt, was es bedeuten kann, dem christlichen Gott der Nächstenliebe anzuhängen oder etwa einem Führer mit nationalsozialistischer Ideologie. Wir haben auch nach 1945 in unserem eigenen Land erlebt, was es heißt, in der Werteordnung des Westens oder in der Werteordnung des  Ostens, in der BRD oder in der DDR zu leben.

Man sagt: Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient. Vielleicht könnte man auch sagen: Jedes Volk hat den Gott, den es verdient. Das mag zum Teil richtig sein. Wir sollen gewiss um unseren Glauben und unsere Gesellschaftsordnung kämpfen. Aber für den Einzelnen ist es letztlich unverfügbar, wer als anerkannte Autorität über unserer menschlichen Gemeinschaft steht. So ist es nicht nur unser Verdienst, wenn wir einen guten Gott zu haben meinen, eine gute Gesellschaftsordnung, ein gutes System von Sinnzusammenhängen.

Wir können dankbar sein, dass der Gott des Volkes Israel auch auf uns gekommen ist, dass er auch uns erwählt hat und wir nichts weiter zu tun brauchen, als ihn auf- und anzunehmen.

(Morgenandacht in St. Markus, Hamburg-Hoheluft am 9. August 1988)

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