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28.7.-3.8.19


Das Leben persönlich nehmen

Jesaja 43,1


Dieser Satz soll das Volk Israel, das durch eine wechselhafte Geschichte hindurchgegangen ist, trösten und ermutigen. Das Volk Israel hat glanzvolle und katastrophale Zeiten erlebt. Es kann sich zum einen vieler Verdienste rühmen. Es hat zum anderen auch immer wieder Schuld auf sich geladen. Es hat dieses Auf und Ab seiner Geschichte jedoch nicht als das Wirken einer anonymen Macht, als Wirken des Schicksals verstanden. Vielmehr sah es in dem Lauf der Dinge das Wirken Gottes. Wenn es dem Volk gut ging, sah es darin das Wohlwollen, wenn es dem Volk schlecht ging, sah es darin die Strafe Gottes. Es nahm das Verhältnis zu seinem Gott persönlich, es stand mit ihm auf Du und Du.

An einen persönlichen Gott glauben heißt, alle Dinge des Lebens als eine persönliche Anrede an uns zu verstehen. Der Lauf unseres Lebens hat uns etwas zu sagen. Wir nehmen ihn nicht mehr nur als Schicksal, als Kette gewisser Ereignisse, als Aneinanderreihung von Zufällen. Wir nehmen den Lauf unseres Lebens vielmehr als einen Weg, auf den wir geschickt sind, auf dem wir einem Ziel entgegengeführt werden und der einen Sinn hat, auch wenn wir Ursprung, Ziel und Sinn niemals gänzlich zu ergründen vermögen. 

Aber nicht nur den Lauf unseres Lebens, sondern auch die materiellen Dinge nehmen wir als etwas Persönliches an. Sie sind für uns nicht nur die sachlich-neutralen Gegenstände dieser Welt, sondern sie sind mit einem Sinn und einer Absicht geschaffen, als Gaben an uns, die uns zu verantwortlichem Handeln und zu Lob und Dankbarkeit herausfordern.

Es ist schon ein Unterschied, ob wir durch diese Welt hindurchgehen als durch ein neutrales Etwas, in dem ein anonymes Schicksal regiert, oder ob wir diese Welt als eine persönliche Gabe verstehen, in der unser Leben Sinn und Richtung hat. Das persönliche Verhältnis zu unserem Schöpfer und zu dem Lenker unserer Geschicke gibt uns ein Stück Geborgenheit in dieser Welt. Wir leben hier nicht als Fremde. Wir haben hier ein Stück Zuhause, Heimat, können hier zur Ruhe kommen. Geht uns dieses persönliche Verhältnis zu unserem Schöpfer und dem Herrn unserer Geschichte verloren, dann werden wir hier in der Kälte einer fremden Welt leben, willkürlich herumgestoßen von unbekannten Mächten, werden rastlos und ziellos umherirren.

Wenn wir z. B. kleine Kinder zur Taufe bringen, dann eben, um zum Ausdruck zu bringen, dass wir sie als persönliche Gabe an uns verstehen und dass wir sie aus der Anonymität herausgerufen wissen und wir sie übergeben wollen in dieses persönliche Verhältnis zu ihrem Schöpfer und dem Gestalter ihres Lebens: „So spricht der Herr, der uns geschaffen hat: ‚Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.‘“

(Morgenandacht in St. Markus, Hamburg-Hoheluft am 20. Juli 1982)

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