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7. Sonntag nach Trinitatis (14.7.24)


Stärkung auf dem mühsamen Weg

7. Sonntag nach Trinitatis

6. Juli 2008

2. Mose 16,2-3.11-18

Die Wüstenwanderung der Israeliten ist geradezu zum Sinnbild für bestimmte Phasen in unserem Leben geworden, für die Zeiten, in denen wir Mangel leiden - in der einen oder anderen Weise - für die mancherlei Durststrecken unseres Lebens. In der Geschichte heute geht es allerdings nicht um Durst, sondern um Hunger.

40 Jahre dauerte die Wanderung der Israeliten durch die Wüste auf dem Weg von Ägypten in das Land, das wir heute Israel und Palästina nennen. Es war der Weg aus der Knechtschaft in Ägypten in die Freiheit des gelobten Landes, wo „Milch und Honig“ fließen. 

Wenn wir bedenken, wie es dann weitergegangen ist nach der Wüstenwanderung, nach dem Übergang über den Jordan hinein in das Land, mit dem sich so viele Hoffnungen verbunden hatten, dann sehen wir, dass das Leben der Israeliten auch im Land der Freiheit nicht gerade einfacher geworden war und ist.

Schon während der Wüstenwanderung beschlichen die Israeliten Zweifel, wie sinnvoll es gewesen war, Ägypten zu verlassen. Es kamen ihnen die Zweifel, als sie die Entbehrungen der Wüstenwanderung durchlitten: „Wären wir doch bloß da geblieben!“ stöhnten sie, „bei den Fleischtöpfen Ägyptens - da hatten wir wenigstens zu essen!“

Das war eine menschliche, allzu menschliche Reaktion auf die Schwierigkeiten, über die sie sich vorher vielleicht keine großen Gedanken gemacht hatten: Sie hatten die Befreiung aus der Knechtschaft gewollt, sie hatten bessere Lebensbedingungen gewollt. Sie hatten sich auf die hastige Flucht eingelassen - mit dem Nötigsten an Hab und Gut. Als sich dann erhebliche Probleme einstellten, fingen sie an, sich zu beschweren, zu murren, wie der Bibeltext es in der Luthersprache formuliert. Sie fingen an zu klagen und denjenigen anzuklagen, Mose insbesondere, der sich um die Verwirklichung ihrer Wünsche und Hoffnungen bemüht hatte und bemühte. Für Mose und für seinen Bruder Aaron war das bitter zu erleben, wie wenig in dieser Situation der Not all ihre bisherigen Bemühungen honoriert wurden. Solange alles gut läuft, ist alles o.k. Aber wehe, es gibt Probleme, dann müssen Sündenböcke her.

Es kann einem zum einen das Volk leidtun. Die Menschen hungern, und Hunger tut weh. Und der Schmerz des Leids macht ungerecht. Sie wissen selbst keine Lösung. Aber es muss ihnen doch jemand helfen! Da ist doch einer, der ihnen bis hierher geholfen hat! Und jetzt versagt er. Die Stimme des Volkes hält Mose sein Versagen mit bitteren Worten vor.

Es könnte einem Mose leidtun. Er hatte sich des Anliegens seines Volkes angenommen. In Ägypten hatten sie über die Maßen hart arbeiten müssen. Es war Schikane gewesen, mit der der Pharao versucht hatte, ein weiteres Anwachsen des fremden Volkes zu verhindern. 

Mose hatte sich beim Pharao um Freiheit für sein Volk bemüht, war immer wieder beim widerspenstigen Pharao vorstellig geworden. Er hatte schließlich die Flucht vorbereitet und angeleitet. Dank seines Einsatzes und mit Gottes Hilfe war die Flucht gelungen. Es war doch vorauszusehen gewesen, dass der Weg ins Land der Hoffnung nicht leicht werden würde. Und nun der Undank. Als wäre es seine Absicht gewesen, das Volk in der Wüste verhungern zu lassen!

Woher soll er denn in der Wüste das Essen für das Volk nehmen? Ist er denn der Allmächtige? Nein, der ist er nicht.

Der Allmächtige könnte einem leidtun. Wie oft ist ihm seine Allmacht vorgehalten worden?! Wenn es denn einen allmächtigen Gott gibt, warum verhindert er nicht Not und Elend seiner Geschöpfe und warum bereitet er dem Leid nicht ein Ende?

Was sollte Gott, der Allmächtige, dazu sagen? Er hat das Universum geschaffen - mit allem Großen und Kleinen, was darinnen ist. Zurecht nennen ihn die Menschen darum den Allmächtigen. 

Aber hat er die Menschen nicht zu eigenständigen Teilhabern seiner Schöpfung berufen? Hat er sie nicht zur Mitverantwortung berufen für das Leben auf der Erde, für ihr Leben miteinander, für ihr eigenes Leben? 

Er hat den Menschen viel geschenkt und er beschenkt sie täglich reichlich neu. Das vergessen sie manchmal. Aber in der Not ist er ihre letzte Zuflucht. 

In unserer heutigen Geschichte aus der Wüstenwanderung des Volkes Israel nimmt sich Gott der Kritik des Volkes an und nimmt damit Mose und Aaron in Schutz. Er stellt Abhilfe in Aussicht. 

Als würde sich Gott verständnisvoll sagen: „Sie haben recht. Sie haben Hunger und sie brauchen zu essen. Mit den Strapazen der Wüstenwanderung sind sie überfordert. Sie haben sich zwar die Freiheit gewünscht. Und sie haben sich auch darauf eingelassen bei Nacht und in Eile unter Lebensgefahr die Flucht anzutreten. Aber sie haben in ihrer Sehnsucht nach Freiheit die Risiken und Belastungen des Weges unterschätzt. Das sei ihnen nachgesehen. Ich werde ihnen helfen.“

Der Allmächtige ergreift die Initiative. Und das Volk macht die Erfahrung, dass noch Zeichen und Wunder geschehen. Am Abend kommen Wachteln ins Lager. Und am nächsten Morgen kommen mit dem Tau kleine runde Teilchen, von denen die Israeliten nicht wussten, was sie waren. „Man hu?“ Was ist das? fragten sie. „Es ist Brot vom Himmel“, erklärte ihnen Mose. Und Mose sagte ihnen auch, was sie damit tun sollten: „Sammelt so viel, wie jeder für seine Familie für den Tag braucht.“ Und er fügte hinzu: „Bewahrt nichts auf für den nächsten Tag.“

In der Tat reichte das Gesammelte für alle Familien. Einige bewahrten aber doch einiges auf für den nächsten Tag. Das wurde voller Würmer und fing an zu stinken. 

Die Wüstenwanderung des Volkes Israel ist wie gesagt zu einem Sinnbild für die schwierigen Phasen des Lebens geworden. Wenn wir die Geschichten lesen, dann sehen wir: Es geht um die Hoffnung auf ein Leben in Freiheit und Wohlergehen, es geht um Führung auf dem Weg, es geht um immer neue Hindernisse und um Schuldzuweisungen, und es geht um immer neue wundersame Rettung.   

Es geht immer wieder weiter, obwohl sich das wandernde Volk oftmals schon ans Ende gekommen sah.

Im Rückblick sieht das Volk Grund zum Feiern. Es feiert den letztlich erfolgreichen Auszug aus Ägypten bis auf den heutigen Tag mit dem Passahfest. Denn es hat den Weg in die Freiheit als Geschenk seines barmherzigen, geduldigen, treuen, immer wieder vergebenden und helfenden Gottes begriffen. 

Jesus Christus hat mit seinen Worten und Taten den Glauben an einen barmherzigen, vergebenden, liebenden Gott gestärkt. Bei seinem letzten Abendessen mit seinen Jüngern knüpft er an die Tradition des Passahfestes an und verkündet eine neue Freiheit: die Befreiung aus unseren inneren Verstrickungen in Sünde und Schuld und Sorgen und Ich-Bezogenheit und die Freiheit zum Glauben an die Kraft der Liebe Gottes zu einem jeden Menschen. Auf dem schwierigen Weg in diese Freiheit ist er selbst das himmlische Manna, die wundersame und wunderbare Speise in der Gestalt von Brot und Wein, Zeichen seines Lebens, Sterbens und Auferstehens zu unser aller Wohl und Heil. 

In diesem Sinne feiern wir das Abendmahl. Brot und Wein sind Wegzehrung auf dem Weg über die Höhen und durch die Tiefen - und für die Hunger- und Durststrecken unseres Lebens.

Möge uns das himmlische Mahl mit Kraft und Vertrauen in den Beistand Gottes stärken.

(Predigt von Pastor Wolfgang Nein in St. Markus, Hamburg-Hoheluft am 6. Juli 2008)

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